Veröffentlicht in Lebenspower

Lebensversuche in digitalen Zeiten

Lebensversuche in digitalen Zeiten oder eine Erneuerung der Absurdität des Lebens trotz Web 2.0

Ein Essay von Michael Mahlke (geschrieben 2006-2008)

Ich habe im letzten Jahr erkannt wie leicht es ist, gut zu leben und wie schwer es ist, dies zu tun. Ich will wissen woran es liegt.

Deshalb blicke ich mit diesem Text in die Welt. Der Mensch ist getrieben von seinen Bedürfnissen. Deshalb handelt er auch so. Dies ist einsehbar, weil Menschen Essen, Trinken, Lieben müssen und noch einiges mehr. Doch das allein macht den Menschen nicht aus. Da gibt es noch mehr.

Die Pyramiden am Mittelmeer zeigen z.B. den Wunsch des Menschen, übernatürlich und unsterblich zu sein. Aber der Mensch hat es bis heute nicht geschafft, stärker als die Naturgesetze zu sein. Dies bedeutet, dass jede Anstrengung dahin zum Scheitern verurteilt ist.

Das Gesetz der Vergänglichkeit

Wir alle unterliegen dem Gesetz der Vergänglichkeit. Dies bedeutet, wir müssen sterben. Sterben ist so einfach, dass es alle vor uns geschafft haben.

Der Musiker und Conferencier Heinz Schenk hat das Gesetz der Vergänglichkeit zusammengefasst für unsere Zeit mit den folgenden Worten: „Es ist alles nur geliehen hier auf dieser schönen Welt, es ist alles nur geliehen, aller Reichtum alles Geld… jede Stunde voller Glück. Musst du eines Tages gehen lässt du alles hier zurück. Alle Güter dieser Erde sind dir nur auf Zeit gegeben und auf Dauer gar nichts wert.“ Dies ist ein Auszug aus seinem wunderbaren Lied.

Wenn man dies nun liest, dann frage ich mich, warum so wenig Menschen sich daran halten. Die Antwort erscheint mir vielschichtig. So sind die meisten Menschen im Verdrängen besser als im zu Ende denken. Darüber hinaus sind Gedanken keine Erlebnisse.

Das Leben ist einfach

Das Leben ist einfach. Aber warum machen wir es uns so schwer?

Diese Frage beschäftigt mich seit Jahrzehnten. Ich habe dazu viele Bücher studiert und viele Menschen gesprochen und fand nie eine Antwort, die mein Leben beeinflusste. Ich fand nur Gedanken, die mich faszinierten, aber mein Leben nicht änderten.

Doch dann kamen meine Schicksalstage. Wer dies als denkender Mensch hinter sich hat, erlebt sich neu und bewertet sich neu. Es ist die Umwertung aller Werte, die daraus folgen kann.

Hierbei handelt es sich um eine Veränderung der Wahrnehmung, die bis in die Tiefe der Gewichtung und Gefühle und damit des Handelns geht.

Ich erlebte mich neu. Ich sah, was wichtig war, nämlich die gelebte Zeit. Das Geheimnis des guten Lebens ist seine Einfachheit im Sinne von Klarheit und eigener Entscheidungskraft. Erich Fromm hat dies zugespitzt in der Formel Haben oder Sein.

Die Chance der Entwicklung

Gedanken und Erlebnisse zueinanderzubringen ist die Chance der Entwicklung. Dies ist relativ schwierig. Wir leben in einer Mediengesellschaft. Unsere Massstäbe orientieren sich vorgeprägt durch Sozialisation nicht an unserem Sein, sondern an den in dieser Gesellschaft bevorzugten Fähigkeiten.

Es ist egal

Hinzu kommt, es ist egal, ob wir richtig und gut leben, weil niemand kommen wird, um über uns zu richten. Diese Erkenntnis erfordert von mir allein Anstrengungen, um dennoch ein harmonisches Leben im Einklang mit Natur und Mitmensch zu leben. Es ist dann diese Erkenntnis, die die Lösung bringen kann.

Leben als tägliche Eroberung der Einfachheit

Angstfrei zu leben und fröhlich den Tag zu begrüssen, in dir selbst zu ruhen und täglich sich des Lebens zu freuen sind die höchsten Güter, die immer wieder neu erobert werden müssen. Dies ist aber täglich erreichbar und lächelnd dauerhaft immer wieder lebbar.

Gerade die Einfachheit muss täglich neu erobert werden, weil die Ablenkungen der Welt so stark sind. Da wir als Menschen offene Wesen sind mit vielen Sinnen, sind wir auch sinnlich. Diese Sinnlichkeit ist die Tür für alle Dinge dieser Welt.

Aber genau hier kommt die Grundlage unserer Existenz als neue Kategorie ins Spiel. Wer die Freiheit gesehen hat, wer sie in einer Krisensituation gespürt hat, der sieht tiefer und ist auf dem Weg zu sich selbst. Wenn das Leben doch vergänglich ist und wir alle nur hier sind, um mitzuerleben, dass unser Leben zum Scheitern verurteilt und sinnlos ist, dann ist unser Verstand und unser Wille unser Werkzeug, um diese Lebenszeit selbst zu gestalten.

Welcher Lebensversuch bin ich?

Ich persönlich stelle mir täglich beim Anblick meiner Mitmenschen die Frage, welche Lebensversuche jeweils stattfinden. Es ist sehr interessant und macht jeden Tag zu einem absurden und freundlichen Fest.

Denn die Fähigkeit des Entdeckens, die Neugier, führt dazu, dass der Mensch biologisch geprägt jeden Tag begrüssen muss und kann.

Die Chance der Sinnlosigkeit

Die Sinnlosigkeit des Lebens und die Frage von Camus durch Sisyphos, ob sich das Leben trotzdem lohne, ist der Schritt, der die Schwelle zum Selbstmord zeigt.

Doch die momentane Entscheidung gegen den Selbstmord ist immer getragen von der Einsicht in die Freiheit und die damit verbundene Unabhängigkeit. Wenn ich die Welt in ihrer Sinnlosigkeit annehme, dann ist die Chance da, dass viele Werte dieser Gesellschaft für mich nicht mehr wichtig und belastend sind.

Absurdität als Handlungsgrundlage

Die Aufgabe, die Absurdität des Lebens als Handlungsgrundlage zu sehen und so zu handeln, ist die Chance auf Distanz von einem nicht gelebten Leben. Es ist schwierig und die meisten Menschen werden dies so nicht nachvollziehen, aber es ändert nichts daran. Da es aber egal ist wie du lebst, weil nur du für dich verantwortlich bist, musst auch nur du über deine Werte und Einschätzungen wachen, denn du bist dein Universum.

Du hast Gemeinsamkeiten mit allen Menschen, doch die Werte, die du lebst, kannst du als er-wachsener Mensch selbst bestimmen. Dies ist die Chance einer offenen und aufgeklärten Gesellschaft im Gegensatz zu einer Diktatur. Insofern ist die hier geäusserte Ansicht zutiefst freiheitlich, persönlich und sozial.

Das Überschreiten der Schwelle

Ich stelle aber auch fest, das Überschreiten der Schwelle zur Annahme der Absurdität ist eine Umwälzung aller Werte, weil klar wird, es gibt keine Werte ausser dem Empfinden ganz zu sein und dem Wissen, dass alles Handeln sinnlos ist.

Alles danach ist geprägt von den biologischen Bedingungen unseres Lebens. Und immer wenn ich darüber nachdenke, dass unsere Wahrnehmung mit unserem Verstand uns die Unendlichkeit zeigt und wir dabei wissen, wie sinnlos dies unter den vorgefundenen biologischen Gegebenheiten ist, wird mir deutlich, wo die Grenzen und der Anfang zu finden sind.

Abschliessen möchte ich mit einem Satz von Camus: “Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen.”

Das ist dann das ganze Geheimnis.

(c) by m. mahlke remscheid – alle rechte vorbehalten

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