Veröffentlicht in Allgemein

Wie ich anfing, klug zu werden

“Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann.”

C. G. Jung

 

“Warum ich einiges mehr weiß? Warum ich überhaupt so klug bin? Ich habe nie über Fragen nachgedacht, die keine sind – ich habe mich nicht verschwendet. – Eigentliche religiöse Schwierigkeiten zum Beispiel kenne ich nicht aus Erfahrung. Es ist mir gänzlich entgangen, inwiefern ich »sündhaft« sein sollte. Insgleichen fehlt mir ein zuverlässiges Kriterium dafür, was ein Gewissensbiß ist: nach dem, was man darüber hört, scheint mir ein Gewissensbiß nichts Achtbares…Gott ist eine faustgrobe Antwort, eine Undelikatesse gegen uns Denker –, im Grunde sogar bloß ein faustgrobes Verbot an uns: ihr sollt nicht denken!… Nur die vollkommne Nichtswürdigkeit unsrer deutschen Bildung[1082] – ihr »Idealismus«- erklärt mir einigermaßen, weshalb ich gerade hier rückständig bis zur Heiligkeit war. Diese »Bildung«, welche von vornherein die Realitäten aus den Augen verlieren lehrt, um durchaus problematischen, sogenannten »idealen« Zielen nachzujagen, zum Beispiel der »klassischen Bildung«”

Wissen Sie, wer das geschrieben hat?

Wieso mußte ich fast 60 Jahre alt werden, um zu erkennen, daß der Autor dieser Zeilen recht hat?

Meine ganze Bildungserfahrung war in einem deutschen Gymnasium darauf angelegt, nicht das zu tun, was ich will sondern das, was ich nicht will. Alle Lehrer erklärten uns/mir, ich dürfe nicht mein Hobby zum Beruf machen. Und ich lernte, daß die Welt schlecht ist und sündhaft. Erst wenn ich die ideale Welt erarbeitet habe und meine Schuld bezahlt habe, die ich mit meiner Geburt auf mich geladen habe, darf ich mich ausruhen.

Das habe ich bis vor einigen Jahren geglaubt. So war meine Schulzeit für mich.

Meinen Mitschülern hat man das auch gesagt, die haben aber nicht daran geglaubt. Ich war nie so weit wie es andere schon aus ihrer Familie heraus waren.

Also war ich der Dumme, weil ich meinen Lehrern geglaubt habe.

Meine kirchlichen Erfahrungen waren ja ebenso. Der Pfarrer ohrfeigte mich, weil ich beim Aufsagen des kleinen Katechismus von Martin Luther lachte und natürlich folgte die Drohung, wenn ich kein guter Christ sei, dann…

Erst heute erkenne ich wie wahr die Worte von Friedrich Nietzsche sind.

Ich habe hundert Jahre später ähnliche Erfahrungen gemacht wie Nietzsche sie aufgeschrieben hat.

Wer auswendig lernte und das Wissen der herrschenden Wissenschaft (der Herrschenden) lernte, der wurde anerkannt.

Wer selbst denkt, wurde (und wird?) zum Ketzer.

Wieso brauchte ich so lange, bis dies mein Erkennen erleuchtet?

Unglaublich wie die Macht der Erziehung unser Unterbewußtsein formt!

Nun habe ich es erkannt, hoffentlich wird es auch mein Handeln bestimmen!

Wenn ich mir rückblickend viele Artikel von mir hier und woanders anschaue, dann sind in ihnen oft unbewußt Wegweiser versteckt, die mich hierhin gelenkt haben…

 

2 Kommentare zu „Wie ich anfing, klug zu werden

Kommentare sind geschlossen.