Dieser Text ist nur für Menschen, die lesen.
Ich bin nun über 60 und habe in meinem Leben drei Mal meine Bibliothek zu ca. 80 Prozent abgegeben. Es waren jedes Mal ein paar tausend Bücher.
Als ich Geschichte, Germanistik, SoWi, Pädagogoik und Jura studiert hatte, habe ich nach dem Studium und dem Wechsel in die Wirtschaft alles abgegeben, was ich mir für das Lehramt gekauft hatte: Didaktik im Unterricht in BRD und DDR, Geschichte in Quellen, hunderte von Augenzeugenberichten, Suhrkamp Bibliothek, Geschichtliche Grundbegriffe, MEW, viele Einzeldarstellungen, Bracher, Conze usw. Es waren Tonnen an Papier und alles war nicht mehr nötig, weil in der Wirtschaft völlig Anderes verlangt wurde.
Dann habe ich mir eine neue Bibliothek zum Thema Lebenshilfe aufgebaut. Da war alles drin von Seneca, Epiktet, Freud, Erich Fromm, Esther Vilar, Alice Miller usw. Das mündete online in die www.sorgenfibel.de.
Danach kam das Thema klassische Astrologie. Ich hatte Bernd Schiele kennengelernt, Tarotdeuter und Astrologe aus Ratingen. Er stellte auch für die Börse Teams zusammen und war sehr erfolgreich. Ich hatte u.a. ein Studium der Pädagogik und verstand nicht, wie die Astrologie wirkt, aber sah wie sie zutraf.
Hier traf Studium auf Erfahrungswissen jenseits der Uni. Staunend ließ ich mich darauf ein und sah dann, daß es kein Trick war sondern eine uralte Sprache für Schicksal und Charakter. Er brachte mir viel bei und stellte mich auch Alexander von Pronay vor. Das war sehr fruchtbar. Ich lernte wirklich interessante Sichtweisen kennen und arbeitete nach einiger Zeit als klassischer Astrologe in der Tradition von Löhlein, Klöckler und von Pronay.
Das hat nichts mit den vielen psychologischen Deutungen zu tun, die heute versuchen jede Bewegung therapeutisch zu deuten, sondern es geht dabei um echte Erfahrungen nach dem Motto, wenn diese spezielle Konstellation ist, was passiert da auf der Erde etc. Echte Astrologie ist stille Arbeit und sehr zeitaufwändig. Aber ohne geregeltes Arbeitseinkommen war es letztlich nicht möglich.
Daher verkaufte ich die astrologischen Fachwerke, Sammelwerke, seltene Bücher, Astrodata Reihen, Kailash, psychologische Astrologie, Astrologie und Schichsalsdeutung, Mundanastrologie etc. wieder. Ich habe sie letztlich in die Schweiz abgegeben und online lediglich noch auf www.astrologe.com ein kleines Werk publiziert.
Danach kam das Thema Dokumentarfotografie, politische Geschichte und Zeitgeschehen. Gerade bei den sog. Fotobüchern wurde durch neue Druckverfahren Qualität durch sehr viel Quantität ersetzt. Und weil dabei jeder, der neu anfängt, immer allen wieder die fotografische Welt erklären will oder seine Fotos als etwas Besonderes gedruckt sieht, ist die Masse immer unüberschaubarer geworden. Da zudem fast nichts mehr in den Fotobüchern steht, was lesenwert wäre, ist Aussortieren fast schon Leserpflicht.
Daher bin ich gerade dabei, nun auch diese Bibliothek aufzulösen.
Wenn ich damit fertig bin, habe ich von jeder Bibliothek ca. 80 Prozent abgegeben.
Was ich beim Verarbeiten der Bücher publizieren wollte, habe ich auf meinen Blogs veröffentlicht.
Aktuell haben wir ja noch die Zeit der parallelen Welten.
Es bleiben dann also gedruckt drei mal 20 Prozent übrig…
Das sind dann immer noch zu viele Bücher.
Wirklich bewegt haben mich in meinem Leben vielleicht 30 Bücher. Aber welche das sind, weiß man erst hinterher. Daher muß man vieles vorher lesen, um dann das zu finden, was persönlich wichtig wird oder wurde.
Im Grund kreise ich heute noch um Albert Camus, Arthur Schopenhauer, Epiktet, Seneca, Voltaire, Nietzsche und ein paar Andere, die man auch auf meinen Webseiten finden kann. Dazu kommen zu den Fachthemen immer ein paar Namen von Frauen und Männern aus diesem Bereich.
Natürlich kann man, wenn das Haus groß genug ist, alle gelesenen Bücher sammeln.
Aber wozu?
Wenn man Jahre später merkt, daß man ein wichtiges Buch abgegeben hat, ist es heute leicht wieder zu beschaffen.
Durch das Abgeben der Bücher fiel mir immer eine Last von den Schultern.
Hinzu kam, daß ich immer mehr merkte, wie wenig Gewicht gute Einsichten in der gesellschaftlichen Wirklichkeit haben. Wissen ist Macht ist Quatsch außer ich habe Wissen über die Leichen im Keller. Das muß man wissen, dann hat man Macht.
Alles andere ist solange nur bedrucktes Papier wie es gesellschaftlich nicht relevant wird, es sei denn wir reden über Fachliteratur für Heilen und Reparieren.
Wenn man dann noch weiß, daß überhaupt nur 5 Prozent der Bevölkerung lesen und die Wenigsten politisch Relevantes, dann weiß man um die Wirkung.
Und heute weiß sowieso fast jeder alles besser. Das ICH steht im Mittelpunkt, nicht der Weg zu mehr Horizont und tieferer Erkenntnis.
Wenn ich mich umschaue, dann gibt es kaum noch neuere Haushalte mit Büchern. Meistens sind es Computerspiele oder große Monitore mit Serienanbindung oder Onlinespielen, die in Wohn- und Arbeitszimmern zu finden sind.
Gelesen wird nur noch digital in Häppchen auf Smartphones, die zur aufblinkenden Werbung führen sollen. Ein Kindle mit Leseüberwachung ist schon eine besondere Leistung aber da gibt es ja Ablenkungsliteratur vom eigenen Denken ohne Ende, so daß die Qual der Wahl noch größer wird.
Und im Internet werden die Informationen durch Netzwerke und Massenmedien vorgegeben, die fast alle Themen einsortieren oder aussortieren.
Wer findet da noch seinen Weg?
Ich habe vor zehn Jahren das erste Mal über dieses Thema geschrieben. Danach wurde ich wieder um ein paar tausend Bücher reicher und nun wieder ärmer – gottseidank.
Mein Lesehunger im Zeitgeist hat sich sehr verschoben, seit ich merke, daß Kompetenz in der Politik fast vollständig fehlt und Fachkompetenz nicht mal mehr gewünscht wird. Wissen ohne Anwendungsmöglichkeit führt oft zu Ärger. Da kann man dann lieber das Thema wechseln und sich konkreten Aufgaben zuwenden im eigenen Wirkkreis – oder da weiterlesen, wo die Gedanken schmecken…
Ein Kommentar zu „Bücher und Lebenszyklen“